22.6.12


Wuff. Ich bin auf den Hund gekommen. Finde mich morgens um sechs auf der steilen Treppe Richtung Felder wieder und denk mal kurz, dass ich doch einen Knall habe, mir sowas aufzuhalsen. Zehn Minuten später, die Schrittfolge ist mittlerweile forscher und tänzelnd, atme ich freier, meine Füße dampfen Morgentau, kommen die ersten summenden Töne über meine Lippen und die Mundwinkel gehen nach oben. Eindeutig eine Win-Win-Situation, sowohl für mich, als auch für den kleinen Kerl aus Spanien. Glück ist manchmal ganz banal.

3.6.12


Vor einigen Jahren entdeckte ich, durch Kinder ans Haus gebunden und durch ebensolche auf den Geschmack und die Technik von PC und Internet gebracht, eine für mich neue Welt: Die virtuelle Welt. Jesses, da Sprache mein Medium ist und Bilder im Kopf mein Zugang zur Welt, war dies wie eine Reise in ein neues, wunderbares Universum.

Ich habe diese Welt naiv, neugierig und atemlos erkundet und exzessiv in Sprache und Bildern gebadet. Und ich habe unter anderem eine Subwelt, eine Nische dort gefunden, die manchen alten und neuen inneren Bildern in mir Worte gegeben hat. Die sogenannte BDSM-Szene, unter anderem auch die SZ.

Das war pima und sehr aufregend erregend. Ich war hungrig und ich aß mich satt an all den Diskursen, Gesprächen, dem schriftlichen Austauschen. Bilder in Sprache fassen, theoretische Konstrukte bis zum Grunde durchdenken und die dazugehörigen Worte ins reale Leben herüber holen und dort zu schmecken, zu prüfen, zu verwerfen, in den eigenen Lebensentwurf real hinein zu nehmen und die neuen Bilder wieder in Sprache in die virtuelle Welt zurück fließen lassen. Schnell, atemlos, experimentierend, zwischen beiden Welten hin und her rasend. Laborratte und Forscherin in einer Person. Jesses, war das geil.

Natürlich war abzusehen, dass dies alles irgendwann ein Ende in dieser Form und Schwerpunktsetzung haben würde. Weg und Ziel sind Prozesse, die sich durch Tun/Bewegung ständig verändern und sich permanent neu selbst erschaffen.

Mittlerweile hat die virtuelle Welt diesen Zauber für mich verloren. Das Internet ist für mich zu einem Informations- und Kommunikationsmedium unter vielen anderen geworden. Nicht mehr wegzudenken, aber auch nicht mehr so magisch verzaubernd. Ein tolles Hilfsmittel. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Auch die Nische des BDSM ist als solche keine befruchtende mehr für mich. Das was mir vor Jahren noch als neu und aufregend erschien, hat sich mittlerweile mit meinen Lebenserfahrungen, meiner Geschichte, meiner Persönlichkeit vermischt. Der Hauch des „Besonderen“ hat sich verflüchtigt. Vieles, was mir in der Sprache und in den Gedankenwelten  des BDSM als Neuland erschien, stellte sich mittlerweile als Altbekanntes heraus. Manches exklusive virtuelle SM-Gedöhns entpuppte sich im realen Leben als die bekannten (zwischen)menschlichen Fragen und Stolpersteine und die Antworten finden sich für mich eher in anderen Bereichen des menschlichen Denkens und Forschens und Wachsens denn in der Nische des virtuellen und realen BDSM.

So bleibt SM für mich ein Teil meiner Persönlichkeit, der allerdings mittlerweile integriert ist in viele andere, grundlegendere Bereiche meiner Person und meines Lebens. Eine Option, eine Möglichkeit, eine Bereicherung unter vielen anderen halt. Der Zauber der Exklusivität ist verschwunden und damit auch deren Begrenzung und Einmauerung. Eine für mich subjektiv völlig gesunde und freudig begrüßte Entwicklung.

2.6.12


Liebe kennt viele Formen und sie schert sich einen Dreck um irgendwelche Vorgaben, Regeln, Anweisungen und Gebote und sonstigen Mist... sie kommt und geht und bleibt und wandelt sich - gerade so, wie es ihr passt ... und was passt oder nicht entzieht sich oft dem wunderlichen Verstand, der will und fordert, der dies und das nur in dieser oder jener Form mag ... der Liebe ist dies egal...

Aber, die Liebe hat eine Schwester und die nennt sich Sehnsucht. Und diese ist nicht gar so willkürlich und autonom gestrickt.

Sie mag die kleinen Gesten: freundliche Worte zwischendrin; kleine Zärtlichkeiten; Verlässlichkeit; Umärmelungen; fürsorgliches Umfangen; Sinnlichkeiten über Tag und Nacht verteilt; Küsse und Streicheleinheiten, tiefehrliche Gespräche über alles und jedes; kleine Rituale, die für Gewissheit sorgen; gemeinsames Denken und Tun und ganz, ganz viel Nähe.

Vor allem jedoch braucht die Sehnsucht Nahrung, weil sie sonst verkümmert. Darum bittet und bettelt sie oft ihre große Schwester, die Liebe, an, ihr doch bei der Stillung ihres Hungers zu helfen. Doch die Liebe lacht nur und meint: „Schätzchen, dafür musst du schon selbst sorgen! Ich kümmere mich um solche Dinge nicht. Ich geh oder bleibe, auch wenn es viel oder gar nichts gibt. Ich ändere oft einfach nur meine Form. Manchmal pass ich mich den neuen Gegebenheiten an und manchmal halt nicht. Wie es mir so ist. Satt werde ich immer, weil ich mich aus mir selbst heraus nähre.“

So bleibt der kleinen Schwester Sehnsucht oft nur das Gehen und das Suchen nach neuer Nahrung.


1.6.12


Und dann sitzt man da und denkt und macht und tut und der Verstand sagt dies und die Vernunft sagt das und man schaut sich alles an und verwirft und wägt ab, richtet und rechtet und besieht sich all die Abers und Wenns und Widers und Gegens von allen Seiten genau und schüttet alles in ein Sieb und man tut es wieder und wieder und wieder und immer bleibt da dieser Rest und man kann es nicht erklären und nicht rechtfertigen und es lässt sich nicht fassen in kluge bedachte Worte und Vernunft und Logik haben sich mittlerweile eh schon längst entnervt abgewandt. Denn es bleibt am Schluss immer die gleiche Antwort auf die letzte Frage:
"Liebst du dich?"
"Ja, ich liebe mich."
Heimweh ist die schmerzliche Sehnsucht nach Geborgenheit.
„Ich war allzu moralisch, allzu vernünftig, allzu bürgerlich gewesen! Ein alter, ewiger Fehler, den ich hundertmal begangen und bitter bereut habe, ist mir auch diesmal wieder passiert. Ich wollte mich einer Norm anpassen, ich wollte Forderungen erfüllen, die gar niemand an mich stellte, ich wollte etwas sein oder spielen, was ich gar nicht war. Und so war es mir wieder einmal geschehen, daß ich mich selbst und das ganze Leben vergewaltigt hatte.“

Hermann Hesse, Kurgast



Es ist so verführerisch sich einer angenommen Norm anzupassen. Man fühlt sich für kurze Momente so wohlig aufgehoben. Bis man merkt, dass der Preis für diese Wohligkeit zu hoch ist. Man zahlt drauf, mit dem was Leben, das eigene Leben wirklich ausmachen könnte. Für einen scheinbar stabilen Augenblick gibt man all die irrwitzigen, verrückten, quirligen Möglichkeiten auf. Nöh, ich will nicht beliebig sein, ich will mich nicht anpassen und ich will meine Energien nicht in die Aufrechterhaltung eines äußeren Scheins vergeuden. Lieber zahle ich den Preis, den diese Gesellschaft von den Unangepassten, Aufrechten, Suchenden, Kantigen verlangt. Da stimmt die Rechnung nämlich irgendwie. Ein richtiges Schnäppchen!