28.8.16

Wenn ich mich dann wieder mal so umschaue, denke ich, dass es den Herrschenden doch sehr genehm kommt, dass die demokratisch, weltoffen und freiheitlich denkenden BürgerInnen im Land vollauf damit beschäftigt sind, der braunen Brut die Stirn zu bieten und sich laut von diesem Pack und seinen grenzdebilen Ideen abzugrenzen. Was ja an sich richtig  und notwendig ist. Dabei entsteht jedoch die Dilemma Situation, dass auch das rechte Pack in manchen Kritiken an den herrschenden Verhältnissen und Ungerechtigkeiten zumindest tendenziell Recht hat. Da diese Kritik jedoch immer im Sumpf des rassistischen Grundkonsenses eingebettet ist, werden die ernstzunehmenden Stimmen gegen schreiende gesellschaftliche Missstände immer leiser. Man will ja nicht mit dem rechten Pack in die gleiche Tüte dröhnen.
Ich halte das für falsch und wünsche mir, dass wieder mehr über gravierende Unzumutbarkeiten in unserem Gesellschaftssystem laut und öffentlich gesprochen, diskutiert und aktiv gestritten wird. Abgrenzung nach rechts ist dabei doch nicht schwer, zumal die intellektuellen Kapazitäten für sachliche Analyse und die Entwicklung alternativer Konzept doch recht ungleich verteilt sind. 
Hasskommentare und Shitstorms gegen Frauen, die erfolgreich in bisher männliche Domänen eindringen: Politikerinnen, Fußballkommentatorinnen, Moderatorinnen, Ghostbuster Frauenteam, etc., etc.,

"... und zwar allein deshalb, weil sie Frauen sind und in einem Gebiet erfolgreich, in dem die Männer bisher größtenteils unter sich waren."

Ist das so einfach? Zum Teil ja. Fremdenhass und Frauenhass, Xenophobie, Sexismus, Homophobie haben unterm Strich die gleichen Wurzeln. Und die Menschenfänger aus der rechten Ecke spielen eloquent mit diesen seelischen Bruchstellen zugunsten ihres eigenen Machtstrebens. Sie schüren die Glut aus Ängstlichkeiten und (Selbst)Hass. Brandgefährlich. Und manchmal nur schwer zu durchschauen.

*Anmerkung für die Hastigen: Nein, Frauen machen keine "bessere" Politik, oder sonst irgendwas besser als Männer, nur weil sie Frauen sind. Aber darum geht es den Hetzern auch nicht. Es ging und geht in Hasskritiken ja niemals um das konkrete Tun des Subjektes, sondern immer um ein bestimmtes, radikal reduziertes Veräußertes: Geschlecht, Herkunft, sexuelle Identität Alter, Religion. Verobjektiviertes Subjekt mit wenigen Merkmalen, an denen man seine unregulierten Affekte zur kurzfristige Entlastung des eigenen, ungelösten innerpsychischen Druckes. abarbeiten kann.

27.8.16

Mir träumte

Letzte Nacht, wohl der Hitze geschuldet, träumte mir, dass alle Kriege beendet wären und aller religiöse Fanatismus sich in Wohlgefallen aufgelöst hätte. Die Profiteure und Kriegstreiber zeigten sich zutiefst reumütig und stellten den zerstörten Ländern genügend Geld und Material zum Wiederaufbau zur Verfügung. Daraufhin zogen die geflohenen Menschen voller Freude und Tatkraft wieder nach Hause, um mit viel Anstrengung, aber auch hochmotiviert, ihre Heimat wieder aufzubauen.

So weit, so schön. Doch, es kühlte nicht ab, düstere Farben breiteten sich in meinem Traumgarten aus. Es fing an zu muffeln und zu stinken. Denn die braungesättigte  Brut in meinem Lande verzagte zwar kurz ob des plötzlichen Mangels an Menschen, die zum gemeinsamen Hassobjekt taugten. Schwieg verblüfft für einen Moment im empörten Staunen darüber, dass die Leute wirklich lieber nach Hause denn hier bleiben wollten und dass sie gar mit Gesang und voller Lachen die vorgebliche, nie wirklich gemütliche und auch nicht durchgängig genutzte, soziale Hängematte verließen. Doch sie, die Menschenfänger und ewig Gestrigen, das Gestern gar nicht verstehend, verschwanden nicht für immer in ihren Löchern, sondern kehrten nach kurzer Schnappatmung unverzagt daraus wieder hervor und suchten sich neue Opfer für ihre von Selbsthass zerfleischten Seelen. Es wurde kalt und kälter im Land und langsam vier Uhr. Ein Wind kam auf, die Luft wurde milder und meine Träume sanfter.

So entschlossen wir uns, Familie, Freunde, Gleichgesinnte, dieses Land des Hasses und der verrohten Engstirnigkeit endgültig zu verlassen und machten uns auf, unseren neuen Bekannten in ihre Heimatländer zu folgen. Das war wohl ein guter Entschluss. Die Farben wechselten in hellere Schattierungen. Es duftete nach Rosen und tausend verschiedenen Gewürzen. Wir wurden freundlich empfangen und bauten gemeinsam an unserer neuen Heimat.

Ich erwachte ein bissl trunken vor Glück. Hielt nicht lange an. Die Realität überrollte mich gnadenlos. Söder spie Dreck und das Pack fraß sich weiter geifernd dran satt.

Es wird immer heißer und stickiger. An Schlaf ist nicht zu denken.

26.8.16

"Die Türkei ist in Syrien einmarschiert."

"Oh, die bekämpfen jetzt endlich den IS!?"

"Ne, die treten die Kurden in den Boden."

"Ähm, wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann waren es doch die Kurden, die gerade ganzen Gemeinden vom IS befreit haben. Die einzigen eigentlich, die überhaupt mal wirklich den IS bekämpft haben."

"Eben, darum geht es dem türkischen Despoten doch. Und den USA. Und den westlichen Verbündeten. Die können doch im vorgeblichen Kampf gegen den IS nicht jemanden gebrauchen, der das tatsächlich ernsthaft umsetzt."

"Die Kurden hatten und haben wirklich immer und immer wieder die Arschlochkarte."

"So ist es. Interessiert das jemand? Nöh. Dafür ist der ganze Konflikt in Syrien und mit IS viel zu vorteilhaft für alle sonstigen Beteiligten. Riesiger Spielplatz und Absatzmarkt für die Waffenindustrie, Übungsfeld für militärisch hyperventilierende  Idioten, Argumentationshilfe für eigene innenpolitische  Machtfestigungen und Angst- und Überwachungsszenarien. Und für den durchgeknallten Erdogan ne tolle Möglichkeit der völkerrechtlich unbeschadet durchgewunkene Kurdenvernichtung. Alles im grünen Bereich bei denen."

"Und die Menschen verrecken elendig."

"Ja."

19.8.16

„In Deutschland zeigt man eben Gesicht. Das gehört sich so!“

„Oh, verstehe, deshalb hast auch einen Avatar als Profilbild.“

7.8.16

Medienkompetenz bedeutet unter anderem auch:

-        Wenn eine Meldung, eine Nachricht, ein Kommentar nicht deiner politischen Haltung, deinen Erwartungen, deinen subjektiven Wahrheiten entspricht, handelt es sich dabei nicht automatisch um gesteuerte Lügen, Verschwörungen, Propaganda. Es könnte auch einfach nur eine andere Meinung sein.

-        Du weißt, dass es eine absolut objektive Berichterstattung nicht gibt und niemals geben wird. Also erwartest du ein solche auch nicht.

-        Du schaust dir deine Informationsquellen sehr genau und kritisch an, informierst dich über ein Ereignis aus ganz unterschiedlichen Quellen und bildest dir aus diesem Sammelsurium von widersprüchlichen Informationen, Fakten, Einstellungen und deiner eigenen Haltung, deinem bisheriges Wissen und deiner persönliche Erfahrung, etc. deine eigene, wiederum subjektive, Meinung.

Ich kann deswegen zum Beispiel mit dem Begriff "Lügenpresse" nichts anfangen. Weil dieser Begriff setzt ja voraus, es gäbe eine "Wahrheitspresse", die es aber in meiner Vorstellung gar nie nicht geben kann. Also ist die Benutzung dieses Begriffes entweder reine Kampfrhetorik oder ein romantisierender Schluckauf.
Ich mag übrigens deshalb mittlerweile reine Informationsseiten/Blogs im Internet viel lieber, weil die, im Gegensatz zu den etablierten Medien, die zum Teil nur noch Einheitsbrei produzieren, die eigene Weltanschauung des Publizierenden nicht verleugnen oder kaschieren. Das macht mir das Einordnen von Inhalten viel einfacher.
„Die Wahrheit“ gibt es in meiner Welt eh nicht. Was es für mich gibt, ist "Wahrhaftigkeit" -> aufgrund aller in diesem Augenblick bekannten Fakten und Erkenntnisse, unter Abwägung der bekannten historischen und kulturellen Umstände und unter Berücksichtigung der eigenen Wahrnehmungsfilter etwas sagen, behaupten, in den Raum stellen. Früher sagte man "nach bestem Wissen und Gewissen" kann etwas in genau diesem Moment wahrhaftig sein ... und im nächsten schon nicht mehr.

6.8.16

Und dann gibt es da das kleine Mädchen, den kleinen Jungen, die mit staunendem Augen und offenem Herzen Olympia gucken und in denen ein Traum wächst, der sie trainieren, trainieren, trainieren lässt. So viel Verzicht, so viel Schmerzen, so viel Engagement über Jahre und Jahre.

Wenn die Freunde ins Kino gehen, Party machen, in Urlaub fahren, hängst du im Trainingslager, kurierst Verletzungen aus, nimmst an Meisterschaften teil. Wenn die anderen nach der Schule in den Park ziehen, wenn sie am Freitag sich verabreden für eine lange Nacht, wenn sie sich mit den ersten Beziehungsfragen herum quälen und vor Verliebtheit durch die Welt schweben, sitzt du über Trainingsplänen, Schulaufgaben, in Sponsorengesprächen, schlägst dich mit den Vorschriften der Dopingkontrolle rum und haderst mit hundertstel Sekunden, die dir noch fehlen.

So viele Versuchungen, denen es zu  widerstehen gilt. So viele Motivationstiefs, durch die sie sich durchkämpfen. So viele Enttäuschungen und so viele Erfolge. So viel dreckige Realität im Sumpf des Leistungssports. Und so viele wunderschöne Momente mit den Menschen, die an ihrer Seite da all die Jahre mit hindurch gehen.

So viel Kraft. So viel Energie. Für was?  Für diesen kindlichen Traum, den sie einfach nicht aufgeben wollen. Olympia. Einmal im Leben daran teilnehmen. Alles geben sie dafür. Alles. 

Und dann schau ich mir diese Arschlöcher von Funktionären an, Sehe die Korruption, den Sumpf, die Gier, die Machtgeilheit. Sehe in die kalten Gesichter der Pharmavertreter, die mit ihren giftigen Äpfeln durch die Trainerstuben wandeln. Sehe, wie Olympia immer mehr und mehr zu einem Schlachtfeld der Werbeträger wird und die Spiele des Sports und der Völkerverständigung verkommen zu einer Gelddruckmaschine für einige wenige Akteure, für die, die Sportler nicht mehr sind als manipulierbare, gesichtslose Mehrwertmasse. Von den unmenschlichen Gegebenheiten rund um den Olympiazirkus in den jeweiligen Austragungsländern gar nicht zu reden.

Zwei Welten, die ich nicht zusammen bekomme. Zwei Welten die einfach nicht kompatibel miteinander sind.
Wohin die Reise geht? Wer könnte es wie ändern? Mein Traum: Die, die so viel Energie, Kraft, Motivation und Disziplin haben, verweigern sich einmal, nur ein einziges Mal geschlossen diesem ganzen falschen Schauspiel. Was für ein Bild, stellt es euch nur vor. Weltweite Übertragung der Eröffnungsfeier, Einzug der nationalen Mannschaften, die Reporter überschlagen sich vor verlogenem Enthusiasmus und dann, dann marschieren die Mannschaften, eine nach der anderen wieder aus dem Station hinaus, packen ihre Sachen und gehen nach Hause. Alle. 


3.8.16

"Wir werden sie so hart bestrafen, dass sie flehen werden: ,Lasst uns sterben, damit wir erlöst werden!' Wir werden sie zwingen, uns anzuflehen. Wir werden sie in so tiefe Löcher werfen, dass sie kein Sonnenlicht mehr sehen, solange sie atmen. ,Tötet uns', werden sie uns anflehen. Selbst wenn wir sie hinrichteten, fände mein Herz keinen Frieden. Sie werden in zwei Quadratmeter großen Löchern sterben wie Kanalratten." Nihat Zeybekçi, Wirtschaftsminister der Türkei

„Kann man mit jemanden, der derartige Folterfantasien in der Öffentlichkeit zum Besten gibt, noch ein sachliches Gespräch führen?“

„Man könnte ihm eine Therapie anraten.“

„Sinnlos. Es müsste ja ein Leidensdruck vorhanden sein, damit dies etwas bringen würde. Und ich denke nicht, dass der Herr einen solchen hat. Ganz im Gegenteil.“ 
„Ach, du willst dich neu erfinden? Auswandern? Die Bettdecke, die du dir übern Kopf ziehst, neu beziehen? Einen neuen Partner suchen? Den Arbeitsplatz wechseln? Dich selbstständig machen? Nochmal ganz von vorne anfangen? Und, und, und? Das Blöde ist:  Wohin du auch gehst, du nimmst dich immer mit. Also komm erstmal mit dir klar, bring mal die Beziehung mit dir selbst auf den neusten Stand, schau dir deine Anteile an deiner jetzigen Unzufriedenheit an und dann überleg dir in Ruhe, wohin deine Reise warum gehen soll.“


*Anmerkung. Was mich an so vielen Angeboten des Durchstartens, des Tschaka Gedöns stört, ist, dass sie alle so tun, als sei da kein verwachsenes, widersprüchliches, oft verletztes Ich, als seien da keine Muster, keine eingefahren Wege, keine gestapelten Widerstände, keine blinde Flecken in der Selbstwahrnehmung. Sie verkaufen etwas, was so einfach so nicht funktionieren kann, weil die ganz und gar einzigartige Persönlichkeit und deren reale Lebensumstände überhaupt nicht in den Fokus geraten. Da wird einfach drüber hinweg ein „Du kannst, wenn du nur willst“ geschmettert, ohne das geklärt würde, wer denn dieses Du ist und was es denn wirklich will und braucht und sucht. Es ist als würde man das Pferd von hinten aufzäumen.