Ich darf nicht sagen, dass du ein erbärmlicher Vergewaltiger
bist, nur weil du eine schwere Kindheit hattest? Ich darf nicht sagen, dass du
Kinder misshandelst, nur weil du eine Frau bist? Ich darf nicht sagen, dass du
unfreundlich, selbstgerecht und ungerecht
bist, nur weil du älter bist? Ich darf nicht sagen, dass du ein
Kriegshetzer bist, nur weil meine Vorfahren schon mal mordend durch dein Land
getrampelt sind? Ich darf nicht sagen, dass du lügst wie gedruckt, nur weil du
lesbisch bist? Ich darf nicht sagen, dass du mich beklaut hast, nur weil du ein
Obdachloser bist? Ich darf nicht sagen, dass du ein elendiger Dealer bist, nur
weil deine Hautfarbe dunkler ist? Ich darf nicht sagen, dass ich die Taten, die
im Namen deiner Religion verübt werden, verachte, nur weil du wegen deines
Glaubens schon mal verfolgt wurdest? Ich darf nicht sagen, dass du ein Täter
bis, nur weil du selbst ein Opfer warst oder bist? Ich darf nicht sagen, dass
mir dieses oder jenes, was du sagst und tust, nicht gefällt und ich es total
ablehne, nur weil du eh schon in anderen Bereichen deines Lebens diskriminiert, unterdrückt und erniedrigt
wurdest/wirst? Hallo, das ist ja sowas von deppert. Absolut und eindeutig
deppert. Punkt.
24.11.16
23.11.16
„Fäkalausdrücke sollten Sie nicht benutzen, Frau Müller! Scheiße
und Arschloch sagt man einfach nicht!“
„Aber Homo, Hurensohn, Penner, Assi, und so gehen?“
„Nun, die sind nicht so körperlich eklig.“
„Dafür voller Vorurteile. Ist wohl gesellschaftsfähiger?“
Ich habe mich sehr lange in meinem Leben dagegen gewehrt
Schimpfwörter zu benutzen. Ich empfand/empfinde verbale Ausbrüche als Gewalt. Dann
habe ich jedoch gemerkt, dass manchmal meine innere Empörung so groß ist, dass
sie ein Ventil braucht, damit ich daran nicht ersticke und meinen Verstand
wieder freistellen kann. Ich habe mich dann entschieden, dass ich mir erlauben
werde, genau zwei Begriffe zur Regulierung zu benutzen, nämlich Scheiße und
Arschloch. Warum meine Wahl gerade darauf fiel? Keine Ahnung. Vielleicht, weil
damit keine Personengruppen diskriminiert, keine Vorurteile transportiert,
keine gesellschaftlichen Ausgrenzungen verstärkt werden. Vielleicht auch nur,
weil sie für mich damals den absolute Höhepunkt von Schnappatmung symbolisierten,
bevor man wieder in ruhigere argumentative Fahrwasser hineintauchen konnte. Dabei
habe ich es belassen und gedenke dies auch auf meine alten Tage nicht mehr zu
verändern. Ich und mein inneres System können damit gut leben.
Warum ich mir darüber überhaupt noch einmal einen Kopp mache?
Weil mich ein Mensch, denn ich eigentlich mag, aufgrund von zwei Post von mir,
in denen ich diese beiden „Fäkalausrücke“ benutzte, entfreunden zu müssen
glaubte um seine timeline sauber halten zu können. Nun, ich bewundere seine
Konsequenz und dachte nochmals drüber nach. Mit obigen Ergebnis. Und damit ist
es auch gut nun.
13.11.16
„… besteht Trumps Erfolg somit nicht aus ökonomischen
Versprechen an die Abgehängten. Er hat vielmehr das betrieben, was die
Republikaner seit Jahrzehnten tun: die kulturkämpferische Überdeterminierung
ökonomischer Konflikte. Am Ende sind es eben wieder die Immigranten, die
Schwarzen, die Hispanics, Lesben oder Schwule, die für das Unglück der
Arbeiterklasse verantwortlich sind. Trumps Erfolg besteht nicht in der Aussicht
auf Aufstieg, sondern in seiner Autorisierung der Aggression, im
kompensatorischen Hassen lassen. Er will den Konflikt des Konflikts wegen, weil
die Abgehängten für ihn die nützlichen Idioten einer egomanischen One-Man-Show
sind.“
Aus: http://www.zeit.de/kultur/2016-11/donald-trump-usa-praesident-liberale-linke-kritik/komplettansicht
Besser könnte ich es auch nicht formulieren. Ergänzend würde
ich es jedoch nicht auf die „Republikaner“ einschränken und auch nicht auf eine
„egomanische One-Man-show“. Es geht um Macht und Pfründe. Früher hätte man
gesagt, es geht um Klassenkampf. Schöner Begriff in seiner ganzen Einfachheit.
Wenn Not und Ungerechtigkeiten zu groß werden und die Ausbeutung und das VerreckenLassen
fast ausgereizt sind und die Gefahr besteht, dass sich da Menschen, die nichts
mehr zu verlieren hätten, über alle Vorurteile und Berührungsängsten hinweg zusammenschließen
könnten und zahlenmäßig ja eindeutig in einer wirklichen Machtposition sind,
dann gilt immer noch: Lass sie sich gegenseitig zerfleischen. Gib ihnen die
falschen Feindbilder und hetz sie gegeneinander auf. Gib dem, der am Boden
liegt einen, den er selbst noch tiefer in den Dreck drücken kann. Gib ihm eine klitzekleine
Ahnung von Macht und einen vermeintlich Schuldigen, schon kannste die
Solidarität durch den Kamin verpuffen sehen. Es geht doch gar nicht um die
Person Trump, sondern um die Mechanismen und Muster, die sich dahinter finden.
Doch wir fallen alle drauf rein. Auch und gerade seine Kritiker. Wir arbeiten
uns an dieser Galionsfigur ab und übersehen das Wesentliche – weil es eben so
schön einfach und entlastend ist, dass da einer noch dümmer, schäbiger,
asozialer, gemeiner, und, und, und ist. Der Blick in den Spiegel wird dann für
eine kleine Weile selbstgerechter und alle unterdrückten Emotionen finden endlich
ein Ventil. Hach, wie tut das gut. Zwei Seiten der gleichen Medaille. Ein irrer
perfekter Coup. Es funktioniert. Immer.
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