30.7.17

Frauen sollen sich verhüllen, weil Männer ihre Triebe sonst nicht zügeln könnten?

Ähm.

Die haben sich nicht im Griff und deshalb soll ich?

Ähm.

Das erinnert mich an die scheinheiligen Diskussionen damals in Bezug auf Hotpants und Minis und überhaupt. Der Mann dreht durch und die Frau ist schuld, weil sie ihn ja mit ihren Reizen gereizt und eingeladen hat?

Ihr habt doch einen Knall!

Solange die Männer das bei sich nicht hinbekommen, zieht ihnen gefälligst Keuschheitsgürtel und Fäustlinge an und gebt ihnen einen Schnuller. Schickt sie in entsprechende Schulungen zur Trieb- und Affektregulierung. Aber lasst mich und meine Schwestern in diesem Diskurs außen vor, denn es ist nicht unser Problem.

*Anmerkung
Und bevor jetzt gleich wieder das Islambashing losgeht: Wir haben hier eine lange, sehr lange und für die Frauen schmerzvolle Geschichte vorzuweisen. Da wurde nix an Widerlichkeiten und Ungerechtigkeiten ausgelassen. Ist doch vorbei?! *Hahaha, ich lach mich tot. Geht mal zu Vergewaltigungsprozessen oder wenn es um Mobbing geht. Oder schaut euch das dämliche Prostituiertenschutzgesetz an, wo diejenigen, vor denen die Sexarbeiter*innen angeblich geschützt werden sollen, diejenigen sind, die nix vorweisen müssen, keine Registrierung, keinen Gesundheitsnachweis, nix, gar nix. Und euch fallen bestimmt noch mehr Beispiele ein, bin ich sicher.

25.7.17

„PC Spiele sind schuld an der steigenden Gewaltbereitschaft!“

„Genau. Der Erdogan treibt sich ja auch nächtelang auf Lan-Partys rum und zockt noch zwischendrin heimlich auf dem Klo mit Putin, Trump, Assad, Alijew und anderen Konsorten. Nein, nicht mit Merkel, die hat die Technik bis heute nicht kapiert und keiner will sie in seinem Team haben. Aber, sie darf ab und an die Häppchen reichen. Immerhin.“

„Das ist nicht witzig, Frau Müller!“

„Ihr Intro auch nicht.“

24.7.17

„Frau Müller, immer hacken Sie auf der Kirche rum, wenn es um Gewalt und sexuellen Missbrauch geht. In alternativen Projekten und Zirkeln gab es das doch auch!“

„Sind Sie so deppert, oder tun Sie nur so in ihrem unsäglichen Drang zu relativeren? Wenn es um Gewalt und Verbrechen an Kindern geht, sind Religionszugehörigkeit, Parteibuch oder politische Weltanschauung ebenso keine ein- oder ausschließende Kriterien wie Herkunft, Status, Geschlecht, Alter. Das geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und Räume. Keine Ausnahmen. Gar keine.
Die katholische Kirche steht zurzeit wegen des Abschlussberichtes im Fokus. Auch deshalb, weil diese Beispiele erlauben aufzuzeigen, wie Schweigen und Vertuschung in einer großen gesellschaftlichen Institution es ermöglichen über einen langen Zeitraum die Täter zu schützen. Quasi Laborbedingungen in der Feldforschung. Relativiert wird dadurch jedoch gar nichts. Im Gegenteil. Gerade der Umgang und die Vorgänge in der Katholischen Kirche geben aufschlussreiche Hinweise auf Täterprofile in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen: Nichts, aber auch gar nichts verhindert, dass ein Mensch Gewalt gegen Kinder ausübt und/oder seine sexuelle Gier an ihnen austobt. Es geht ihm, dem Täter nur um die Befriedigung seiner Macht, seines Sadismus und seiner krankhaften sexuellen Bedürfnisse. Das sind die Grenzen seiner Wahrnehmung, darauf ist sein ganzes bewusstes und unbewusstes Verlangen, Streben und Trachten hin kalibriert. Und dafür sucht er sich Strukturen, die ihm dies mit möglichst geringer Gefahr für seine Person erlauben auszuleben. Das können kirchliche Institutionen sein, Schulen, Sportvereine, Wohnprojekte, Heime, Kindergärten, Jugendhäuser, Internet… und, und, und … und vor allem auch die eigenen Familienverbände. Überall dort eben, wo ihm Kinder als Abhängige anvertraut sind oder wo er leicht Abhängigkeitsverhältnisse herstellen kann. Die katholische Kirche hat da kein Alleinstellungsmerkmal und ist nur ein Schauplatz unter vielen anderen.“

*Anmerkung
„Der“ Täter? Er? Es gibt auch Täterinnen. Auch und gerade in den familiären Strukturen. Ja. Aber, mal ganz ehrlich, wenn ich mich weltweit umschaue, mir die konkreten Daten und die Vorgehensweise, die Taten selbst anschaue, dann ist es doch ein überwiegend männliches „Problem“. Da ständig zu relativieren mit dem Totschlagargument „Es gibt aber auch Frauen!“ schützt die Täter. Sonst nix. 

23.7.17

(Zitat)

Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwungen. Und selbst das Bewilligte wurde uns hingeworfen, wie eine erbettelte Gnade und ein elendes Kinderspielzeug, um dem ewigen Maulaffen Volk seine zu eng geschnürte Wickelschnur vergessen zu machen. Es ist eine blecherne Flinte und ein hölzerner Säbel, womit nur ein Deutscher die Abgeschmacktheit begehen konnte, Soldatchens zu spielen. Unsere Landstände sind eine Satyre auf die gesunde Vernunft, wir können noch ein Säculum damit herumziehen, und wenn wir die Resultate dann zusammennehmen, so hat das Volk die schönen Reden seiner Vertreter noch immer teurer bezahlt, als der römische Kaiser, der seinem Hofpoeten für zwei gebrochene Verse 20,000 Gulden geben ließ. Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde. Was nennt Ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Und dies Gesetz, unterstützt durch eine rohe Militärgewalt und durch die dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angetan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann.

(Zitat-Ende)


Georg Büchner aus seinen Briefen an die Familie aus Straßburg April 1833.

185 Jahre her. Da fällt einem Ermutigung in heutigen Zeiten doch manchmal recht schwer. 
Jede Form der Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und immer geht es um Stabilisierung, Instandsetzung oder Neuverteilung von Macht.

Gewalt hat viele Gesichter. Und manchmal erkenne ich sie für eine lange Weile nicht hinter ihren Masken von Verlogenheit und Heuchelei.

Eine der verkleisterten und vernebelten Formen von Gewalt ist die strukturelle Gewalt. Immer wieder muss ich innehalten, um mir dies zu vergegenwärtigen ->

„Strukturelle Gewalt ist die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist.“ Johan Galtung

Dieser Satz ist so gehaltvoll, dass ich immer eine Weile brauche um ihn durchzukauen und dann zu goutieren.

Bin ich gewaltlos? Nein, natürlich nicht. Es gibt Situationen, da benutze ich Gewalt um mich zu schützen und Gefahren abzuwehren. Und ab und zu neige ich zu zornig verbalen Gewaltausbrüchen ob der Ungerechtigkeiten und der Verantwortungslosigkeiten von Gier und Profitstreben, welche über Leichen gehen.

Gewaltlosigkeit als Ziel und auf dem Weg dahin jedes Mal ein Schritt und ein Nachdenken über dessen Motivation und Implikationen, manche Abzweigungen kritisch revidieren und auf ein Neues. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

20.7.17

"Oh, wir haben die Reisehinweise für die Türkei abgeändert!"

"Yeah! Die lügen, bestechen, beuten aus, schreddern Existenzen, schlagen, foltern, töten, ermorden, sperren ein... Keine Skrupel, so gar keine. Und wir, wir ... hihihi ...tschuldigt ... chrrrchprust ... ähm ... sorry ... wir haben ... pffff ... ne, keine Warnung ... nur ... keusch ... Hinweise. HINWEISE! *kreisch ...Oh ja, die dortige Regierung wird erzittern vor unserer Courage und unserer Standhaftigkeit und unserem knallharten, absoluten Willen für die Menschenrechte, mit allem was wir sind und haben, einzustehen! Yeah! "
"Ach, war da was? Ist da was?"

Der deutsche Michel schlägt die Falten seines Schlafgewandes platt, dreht sich selig seufzend zur Seite.

"Ist nur der Wind in den Zweigen. Müsste ich auch mal wieder schneiden, die Nachbarn gucken schon so komisch."

Schnarchgeräusche wummern nach einigen Minuten durch den Raum.

Die Welt tanzt Polka am Abgrund. Wenn juckt es.
Mein Eindruck von den Gesprächen in den letzten Tagen: Am liebsten würde man es doch einfach unter den Tisch kehren. "Das ist doch schon alles so lange her!", "In Internaten ging es eben damals so zu.", "Es war halt die Zeit damals.", "Waren doch nur die Überreste der Schwarzen Pädagogik." und so weiter, und so fort.

Ähm ... Ach?! ... So lange her? Heute ist alles ganz anders? Heute herrscht im Realen und in den Köpfen der Leute doch eine ganz andere Vorstellung über Kinderrechte und Erziehungsfragen? Das könnte heute so doch gar nicht mehr passieren? Das hat 1992 doch von Jetzt auf Gleich aufgehört?

In welcher Welt lebt ihr denn?

Dass das rückwirkend überhaupt ans Licht kam und bearbeitet werden konnte, liegt doch vor allem daran, dass betroffene Erwachsene! es nach Jahrzehnten nicht mehr ausgehalten haben mit dem Trauma, das sie ein Leben lang verfolgte und quälte, so weiter zu leben. Darum haben sie angefangen den Mund aufzumachen und nach und nach, ermutigt dadurch, fanden sich immer mehr bereit, sich öffentlich zu äußern und von ihren schrecklichen Erlebnissen zu erzählen. Als Kinder hätten sie das doch gar nicht gekonnt, bzw. wurden ihre kindlich ausgedrückten Ängste und Hinweise doch von niemandem verstanden oder gar ernst genommen.

Was bringt euch nun zu der Annahme, dass Kinder, die in diesem Moment Ähnliches erleiden, in der Lage sein könnten klar und deutlich zeitnah öffentlich darüber zu reden?

Nein, wenn ich mir aktuelle Berichte von Gewalt und Missbrauch von Abhängigen anschaue, dann denke ich nicht, dass sich Wesentliches verändert hat. Es wird wieder seine Zeit brauchen, bis alles ans Licht kommt. Das finde ich gruselig. Genauso wie die Ignoranz derer, die meinen, es sei doch alles nur Schnee von gestern.  


Ist da auch nur ein Hauch von Einsicht und Buße zu erkennen? Nein, die gleiche Arroganz und Anmaßung wie all die Jahrzehnte vorher. Und ihr glaubt, es hätte sich was verändert?


17.7.17

„Wir lebten in einer Kultur, in der das Nachdenken und Muße keinen Platz mehr habe, sagte Schmidbauer im Deutschlandfunk. Die Idee, man könnte sich auch mit weniger zufrieden geben, habe in unserer Gesellschaft eine sehr geringe Akzeptanz. Die Folge sei, dass die Menschen ihren Leistungsansprüchen selbst nicht mehr gerecht werden könnten und dadurch auch häufiger an Depressionen erkrankten.“

Alles richtig, Herr Schmidbauer. Aber! und dieses Aber ist ein sehr dickes und altes zwischen uns beiden ->  Ich kenne eine Menge Menschen, die könnten ihre "Depressionen" sehr gut ohne Medikamente in den Griff bekommen, wenn sie Zeit und Muße hätten, einmal ganz und gar bei sich selbst anzukommen. Können sie aber nicht, weil sie es sich schlichtweg nicht "leisten" können. Sie kämpfen nämlich Tag für Tag um die Befriedigung ihrer ganz banalen Grundbedürfnisse: Wohnen, Essen, Teilhabe. Die können nicht einfach aus krankmachenden Verhältnissen aussteigen und sich den Luxus leisten, sich und ihr Leben gesundheitsfördernd zu entschleunigen. Dann hängen ihnen nämlich diverse Ämter und Gläubiger existenzbedrohend im Nacken. Mein ewiger Hader mit den lieben Psychoanalytikern: Ihr habt wirklich wunderbare Werkzeuge geschaffen! Aber ihr habt immer den größten Teil der Bevölkerung, nämlich die, die in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen leben, von dem Genuss derselben ausgeschlossen. Manchmal kommt es mir so vor, als sehet ihr die und ihre Lebensumstände gar nicht. Ein blinder Fleck quasi, von Anfang an und recht nachhaltig gehegt und gepflegt bis heute. 

12.7.17

„Wenn ich mich so morgens durch die Medien lese, dann bekomme ich langsam gar nicht mehr richtig mit, wer da wieder wen aus welchen Gründen ermordet, gefoltert, zerschlagen, überrannt, ausspioniert, bombardiert, erschossen, verdrängt, hingerichtet, angegriffen, überrollt, entführt, totgeschlagen, gesäubert, ausgeräuchert, vertrieben, ermordet, etc., etc., hat. Das Leid aber, das ist immer das gleiche. „Seiten“? Völlig austauschbar. Die Welt ist ein Schlachthaus und der Schlächter heißt Mensch.“

„Guten Morgen, Frau Müller! Na, sind wir heute wieder etwas misanthropisch drauf? Was ist mit dem Kämpfen für die `gerechte´ Sache? Da floss und fließt doch auch Blut, oder?“

„Sorry, der Zug ist für mich schon lange abgefahren. Die Geschichte und meine Erfahrungen lehrten mich: Der Weg verändert das Ziel und den Wegbeschreiter. Du kannst nicht töten, foltern, erniedrigen und ausbeuten und dann so tun, als seiest du der gleiche Mensch wie vorher. Geht nicht. Ist reine Selbstverarschung. Entweder es verändert dich grundlegend oder, oder du warst schon vorher anders als du meintest zu sein oder vorgegeben hast. Du hast dich oder uns schlichtweg belogen. Bin ich ob dieser Erkenntnis ein Menschenfeind? Nein, ganz sicher nicht. Denn in all dem Gemetzel gab und gibt es immer wieder jene, die trotz alledem versuchen aufrecht zu gehen und sich diesem Weg verschließen. Sie zahlen einen hohen Preis. Es gibt sie, an jedem Ort der Welt. Sie mögen auf die Schlächter wirken wie kleine, graue Mäuschen, die man unter den Stiefeln beiläufig zertritt. Oder man beachtet sie einfach nicht. Aber, sie nagen, sie graben, sie durchlöchern das Fundament. Sie wispern, sie tuscheln, sie teilen sich flüsternd mit. Sie vermehren sich. Sie werden noch da sein, wenn die Häuser der Schlächter längst zu Staub zerfallen und deren vorgeblich hehren Ziele längst nur noch ein Fußnötchen in der Geschichte sind. Nein, ich bin keine Menschenfeindin. Ganz im Gegenteil. Nur ein kleines, graues Mäuschen.“


8.7.17

Das Thema „Gewalt bei Demonstrationen“ treibt mich nun schon seit Jahrzehnten um und um. Und immer dann, wenn ich denke, jetzt habe ich sie, die klare, eindeutige Haltung, dann kommt so ein leises Stimmchen und flüstert hartnäckig: Weib, du hast doch so viel Erfahrung. Denk mal an die RAF, an die NSU und an so viele andere Geschichten und wie da immer wieder und wieder im Nachhinein heraus kam, wie da Provokateure, Zuarbeiter, eingeschleuste Mitglieder mitmischten, manipulierten und anstachelten und mitmachten. Und dann wirft es mir so blöde Fragen hin wie: Warum kann man friedliche Demonstranten einkesseln und verhaften und diese Typen nicht? Warum kann man sie nicht schon von Anfang an isolieren? Warum sind die Polizisten immer genau nicht dort, wo die sind? Wurden überhaupt irgendwelche von denen arrestiert? Wer profitiert unterm Strich wie von all diesen Ereignissen? Es nervt und piekst und piekst, dieses Stimmchen. Und dann denke ich: Allereigentlich weiß ich nichts, gar nichts mit Gewissheit. Ich kann dieses Stimmchen nicht abmurksen, gelingt mir einfach nicht.
Polizeistaat und Terrorismus?

200 verletzte Polizisten und noch mehr verletzte Demonstranten. Die schenken sich da gerade gar nichts in Hamburg. Und doch unterstelle ich allen! Beteiligten immer noch, dass keine, aber auch gar keine Tötungsabsicht vorhanden ist. Das macht den Unterschied. Immer noch.
Es macht für mich immer noch einen Unterschied, ob ich losziehe, um einen Menschen, der anders ist, totzuschlagen, oder eine Bombe zum Töten in ein Cafe werfe, oder mit nem LKW Menschen totfahre oder ob ich Steine schmeiße, die auch tödlich treffen könnten. Die grundlegende Absicht ist da für mich entscheidend. Immer noch. Auch auf Seiten der Polizei, es macht einen Unterschied, ob ich Wasser und Gas einsetze, oder mit Maschinengewehren wahllos in eine Menschenmenge schieße. ... Vielleicht bin ich auch naiv, aber für mich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Ganz unterschiedliche gesellschaftliche Situationen und Ausgangslagen.

Polizeistaat und Terrorismus? Nein, ein ganz klares Nein.

7.7.17

Ich finde es toll und wunderbar, dass sich tausende und abertausende Menschen von all der Gewalt, seitens der Polizei und anderen Verwirrten, nicht davon abhalten lassen ihren Protest, und ihre Vorstellungen von einer anderen. friedlichen Gesellschaft aller Menschen, mit tollen kreativen und gewaltlosen Mitteln weiterhin auf den Straßen zu bezeugen. Das finde ich ermutigend.

In diesem Sinne, Gute Nacht, Ihr Lieben!

"Sie quatschen eine Menge, Frau Müller. Bisher las ich noch keine öffentliche Distanzierung von den Gewalttätern in Hamburg von Ihnen. Das sagt ja alles."

"Ja, das sagt eine Menge. Ich muss mich da nicht distanzieren, denn die stehen da nicht und schreien: Im Namen des Volkes und von Frau Müller zerstören wir nun dies und das und hauen dem und der da einen über die Rübe. Machen die nicht. Haben die keinen Anspruch drauf. Die machen dies auch nicht vorgeblich in meinem Namen. Die sind zwar bescheuert, aber in dem Punkt nicht gänzlich von der Rolle (zumindest da besteht noch Hoffnung). Das machen ganz andere und da distanziere ich mich sehr wohl, laut und öffentlich: Denen, die da an anderer Stelle so laut krakeelen, sie seien das Volk, denen sage ich klipp klar: Nicht in meinem Namen. Den Volksvertreter, also denen, die auch mich vertreten, die da nach mehr Aufrüstung und Waffengeschäften schreien, sage ich: Nicht in meinem Namen! Die, die die Sozialgesetzgebung weiträumig platt machen, denen sag ich es genauso, wie denen, die sagen, sie würden in meinem Namen Abschiebungen durchführen und Urteile gegen Menschenrechte fällen. Und, und, und. Ich distanziere mich da, wo es hingehört. Nicht mehr, und nicht weniger."
Nein, ich habe keine klare, abgerundete und im Augenblick schreibbare Position dazu (G20, Gewalt, Hamburg), weil es in meinem Kopf viel zu viele Ebenen gibt, die ich gar nicht alle hier zusammenhängend darstellen kann. Deshalb nur Auszüge von einzelnen Gedankengängen. Warum ich das mache? Weil es mir hilft zu sortieren und vielleicht anderen auch. Die, die mir in den Diskussionen seit gestern ihre lauten schwarz-weiß Standpunkte vor die Füße knallen, die, die sind mir suspekt.

Ja, es gab und gibt gesellschaftliche Situationen, da ist/kann die "Gewalt der Straße" das Zünglein an der Waage in einem kleinen Zeitfenster des radikalen Umbruchs sein. Davon sind wir in Deutschland jedoch meilenweit entfernt. Also, was sollen diese Straßenschlachten? Das ist so naiv und ebenso kindisch. Auf beiden Seiten. Sie sind kein Abbild der realen Gegebenheiten, wenn es um die tatsächlichen Macht- und Gewaltverhältnisse geht.

Du, der da so wütend (bist du wirklich wütend?) und Zeugs zerschlagend durch die Straßen rennt, kannst dir das doch nur erlauben, weil die Gegenseite noch nicht mal ansatzweise alle ihre vorhandenen Geschütze aufgefahren hat. Das heißt doch, du bist nicht wirklich eine Bedrohung, sondern höchstens lästig oder besser noch, ein feines Objekt, dass man vorzüglich zur Vermarktung des eigenen Gut-Seins und im vorgeblichen Recht-Seins auf Seiten der Staatsgewalt benutzen kann. Merkst du nicht, dass du dich durch dein Verhalten zum Handlanger derjenigen machst, die du angeblich bekämpfst?

Und was ist das denn für eine Utopie, für die du da kämpfst? Wie ernst ist es dir damit? Oder hat dies alles eine ganz andere Funktion in dir? Würdest du Jahrzehnte lang in den Knast gehen, dich foltern und erniedrigen und dich töten lassen, würdest du selbst töten, so von Angesicht zu Angesicht, weil du so sehr von deiner ausgearbeiteten Vision überzeugt bist? Wirklich? Leute, ich kenne zu viele von euch persönlich, um das glauben zu können. Da müsste schon mehr „dafür“ von dir kommen und nicht diese ewige „dagegen“!

Die Staatsgewalt marschiert auf und setzt sich mit dieser und jener Aktion absolut ins Unrecht? Ähm, natürlich. Wir leben in einem politischen und wirtschaftlichen System, in dem dies unter anderem eben auch möglich ist. Darum gehen die Menschen ja auf die Straße, führen Prozesse und wehren sich dagegen. Aber warum man mit den gleichen Mitteln, die man ja zu recht scharf kritisiert und bekämpft, selbst zurückschlägt, das habe ich noch nie kapiert. Scheiße wird doch nicht zu Gold, nur weil jemand anderes sie auskackt.

Also, nochmal die von mir ernst gemeinte Frage: Worum geht es dir und dir mit solchen Aktionen eigentlich?

*Anmerkung 1
Das Anzünden von Autos in normalen Wohngegenden, das Zerschlagen von Scheiben in kleinen Geschäften, ... das nenne ich willkürliche Gewalt um der Gewalt willen. Wo steht da dein Feind? Woher weißt du, wem das Auto und das Geschäft gehören? Vielleicht ist das ein Jemand, der bisher solidarisch an deiner Seite stand. Oder jemand, der sich bisher durch Solidarität und Hilfsbereitschaft ausgezeichnet hat. Oder einfach jemand, der gerade noch so am Überleben ist. Oder eine allein erziehende Mutter, die nach einem riesigen persönlichen Aufwand und viel Verzicht endlich dieses Auto für sich und die Kinder anschaffen konnte. Oder, oder ... Allereigentlich gehört in meiner Welt willkürliche, quasi mit dem Gießkannenprinzip ausgeteilte, Gewalt eher zu den Macht und Profit geilen Arschlöchern in Staat und Wirtschaft.

**Anmerkung 2
Und ja, ich weiß, man sollte materielle Sachen nicht mit Menschenleben vergleichen, trotzdem huschen mir beim Ansehen der aktuellen Videos die Bilder von bestimmten Attentaten jedweder Couleur, bei denen willkürlich und wahllos Menschen wie Objekte zerschossen, zerschlagen, überrollt und in die Luft gejagt werden, durch den Kopf. Es gibt da eine Verbindung. Lasst mich nachdenken.

***Anmerkung 3
Ein Puzzleteilchen in all dem Denkgedöns. Jeder bringt seine ganz eigene Geschichte mit in seine aktuellen Handlungen ein. Jede und jeder, auf dieser oder auf jener oder irgendeiner Seite. Ich weiß nicht, ob mir da irgendwer folgen kann: Ich weine um die Kinder, die da einmal auf die Welt kamen mit so vielen Ressourcen und Potentialen. Und dann sehe ich sie als getriebene Erwachsene, immer noch suchend und suchend oder gar vermeintlich gefunden habend. Und wie sie mutig, verwirrt, kreativ, diszipliniert, chaotisch, irrend, standhaft... versuchen ihr Leben zu meistern und in ihrer kleinen Welt ein guter Mensch zu sein. Ja, ich sehe sie auch in den Gewalttätern, in den Polizisten ... und, und, und ... Ich kann diesen einen, speziellen Blick nicht ausblenden und nicht immer unterdrücken. Er sucht und findet Wege in mir. Immer wieder. Deshalb tauge ich wohl nix für Parteien und Verbünde und ideologische Schwestern/Bruderschaften. Weil es mich immer dazu drängt den Einzelnen zu sehen. Muss ich mit leben. Vielleicht bin ich deshalb Pädagogin und Therapeutin geworden, weil es immer wieder auf das eine hinausläuft: Alles, wirklich alles fängt beim Kinde an. Mit der eigenen Haltung zu Kindern und dem eigenen Kind in uns. Da liegt die eigentliche Lösung. Nur da.
---


Ihr merkt, das Thema treibt mich um.  

5.7.17

Ganz banales Beispiel: Guter Abschluss, Mittlere Reife, gute Ausbildung, normaler Job in Frankfurt dafür, 1400,-- Netto, kein Weihnachtsgeld , kein RMV Ticket, aber sicherer Arbeitsplatz. Wohnung damit in Frankfurt realistisch nicht auffindbar, also ins Umland. Dort Miete mittlerweile für 600,-- Euro plus 80,-- Strom, 80,-- Euro für Gas (Heizung/warmes Wasser) und  Monatskarte 180,-- Euro. Bleiben unterm Strich 560,-- Euro. Damit kann man keine großen Sprünge machen. Hat man eh keine Zeit dafür. Denn die tägliche Fahrzeit zur Arbeit beträgt mit den Öffentlichen anderthalb Stunden. Einfache Fahrt. Wenn es gut läuft. An mindestens drei Tagen klappt es so jedoch nicht. Also zwei Stunden. Insgesamt vier. Dann noch ein paar Überstunden dazu, die aber nicht bezahlt, sondern verrechnet werden mit Freizeit. Die man aber gar nicht nehmen kann, weil sonst der Betrieb ins Schleudern käme.

Kein Einzelfall. Eigentlich hat dieser Mensch alles richtig gemacht. Schule, Ausbildung, Job gefunden, der ihm auch Spaß macht. Und doch geht es ihm nicht gut. Wenn auch nur eine unvorhergesehene Kleinigkeit passiert, irgendwas kaputt geht im Haushalt oder er wird länger als sechs Wochen krank, dann bricht er ein. Diese Angst ist immer irgendwie vorhanden und nagt an ihm. Nagt und nagt und nagt.

Und dann gibt es so Idioten, die sich hinstellen und von eigenem Verschulden reden. Von „musste halt was machen, biste selbst verantwortlich dafür. Hättest ja dies, hättest ja das. Musste mehr Leistung bringen. Blablablubb.“

Und dann wundert ihr euch, dass die Unzufriedenheit steigt? Dass die Menschen aufbegehren, nachfragen, wütend werden?

Na ja, er könnte sich ja Mühe geben und doch eine Wohnung in Frankfurt suchen.  Dann würde seine Zufriedenheit sicher steigen. *hahaha ->




Ging mir gerade noch so durch den Kopf: Wenn von Armut geredet wird, dann werden immer nur die Menschen mit Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld genannt. Das ist doch eine völlig dämliche Trennlinie. Ich kenne so viele Menschen, die liegen ein wenig über dem Satz und denen geht es nicht gut. Sie können sich zum Beispiel keinen Zahnersatz leisten, weil sie mit 23 Cent über der Freigrenze liegen, oder keinen Urlaub, oder ganz viele kleine Dinge nicht tun, die ihnen zwar Freude machen würden, aber einfach im Budget nicht drin sind. Da lässt sich etwas auseinander dividieren, was eigentlich solidarisch zusammen gehört.


Zu den ganzen "Armutsdefinitionen" fällt mir ein: Weder Hartz IV oder sonstige Sozialleistungen, noch die Berechnung von notwendigen Lebenshaltungskosten, noch die Errechnung von mittleren Haushaltseinkünften gehen doch von realistischen Zahlen aus. Das sind doch alles nur theoretische Konstrukte und meistens auch noch seit Jahren veraltet.
Als mündige und aktive Bürgerin mache ich mir jedes Mal wieder die Mühe und lese mich durch alle greifbaren Wahlprogramme. Vergleiche, hinterfrage, schau mir die von den letzten Wahlen an und was daraus geworden ist. Und komme immer wieder zu der Erkenntnis: Ein Wahlprogramm ist das eine, das was dann später konkret umgesetzt und verabschiedet wird, aus aktuell vorgeblich absolut notwendigen Gründen, ist was ganz anderes. So ist das halt mit den Wahlprogrammen und mit den Fähnchen im Winde. Es geht, unterm Strich, immer um die eigenen Pfründe, also um Wählerstimmen - da ist die jeweilige Farbe der Partei letztendlich egal, betrifft sie alle. Marketing, sonst nix.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon auch Unterschiede, nämlich in der grundlegenden Sicht auf Welt und Menschen. Welches Welt- und Menschenbild liegt unter den rosablumigen Wölkchen der Wahlprogramme? Da lege ich diese dann beiseite und schau mir an, was die jeweiligen Vertreter*innen der Parteien so im aktuellen politischen Alltag von sich geben. Wie treten sie wo auf? Wo setzen sie Schwerpunkte? Wo mischen sie sich mit einer klaren und konkreten Haltung immer wieder ein? Gibt es Positionen, von denen sie unter gar keinen Umständen abweichen würden? Wie ist ihr Kommunikationsstil untereinander und mit anderen? Und, und, und … und dann gibt es für mich noch eine wesentliche Frage, und die ist natürlich politisch so was von völlig unkorrekt, aber ich gestehe, für mich eine der wichtigsten: Würde ich diesen Menschen meine Kinder anvertrauen? Dann wird es meistens sehr, sehr eng und es bleiben nur wenige übrig.

Kann ich so wählen gehen? Bis jetzt ja. Allerdings wird es von Mal zu Mal schwieriger. 

2.7.17

Ich nehme mal an, dass die meisten Medien ihre reißerischen Artikel und Kommentare bezüglich schwerster Randale in Hamburg schon fertig in den Startlöchern haben. Es wäre wunderbar, wenn sie sich diese wegen einem ausschließlich kreativen und friedlichen Protest in den Arsch schieben könnten.
„In unserer Gesellschaft geht es doch nur noch um ausgeglichene Kosten-Nutzen-Rechnungen.“
„Nöh, nicht immer.“
„Ach, dann nennen Sie mir doch ein Beispiel, Frau Müller."
„Hamburg, G20 Gipfel. Immense Kosten – überhaupt keinen, so gar keinen Nutzen.“